Willkommen beim neuesten Gastbeitrag aus der globalen Museum Lovers Community! Diese Gastbeiträge bilden eine Art Mini-Tour mit Expert*innen, die ihre Begeisterung für gewisse musealische Themen teilen wollen. Lass uns also unseren Guide kennenlernen:

Meet Kate Kate

Kate Kate schreibt. Mit kurzen Artikeln und Texten für die Schülerzeitung über Musik fing alles an. Jahrzehnte später und nach vielen durchtanzten Nächten entstand ihr erster Roman. Ihr ausuferndes Interesse für Musik und Bücher stillt sie nicht nur in Berlin, sondern auch auf ihren Reisen.

www.katekatewriter.de

Foto: André Fischer

Ich wollte den Pazifik sehen. Ich wollte an die Westküste der USA reisen. Im September 2019 habe ich mir diesen Traum erfüllt. Meine musikalisch-literarische Reise führte mich über Seattle, Olympia, Aberdeen, Seaside und Portland nach San Francisco. The Summer of Love Experience. Ich erlebte meinen eigenen Summer of Travel Experience, in einem einzigen Monat. Als ich in den Flieger nach Seattle stieg, ging ich fest davon aus, die Route wie vorab geplant, abzurocken. Doch der Weg ist das Ziel. Die Ziele hatte ich in einem kleinen Notizbuch aufgelistet, den Weg gab das Navi vor.

Auf einmal befand ich mich auf der Interstate 5. Welcome to California. Am ersten Point of View hinter der Bundesstaatengrenze Kaliforniens schaute ich in die Landschaft und stellte mir die Trapper vor, die ab 1843 in den Planwagentrecks durch die Prärie zogen. Auf der Suche nach neuem Land und Gold. On the road. Um es mit Jack Kerouacs Buchtitel zu sagen. Ich suchte die Wurzeln der Beatliterat*innen und fand sie im Beat Museum in San Francisco.

Der Beat bestimmte schon in meinem Teeniezimmer den Lärmpegel. Wie rebellisch, wie provokant, wie aufmüpfig. Ich wusste, was ein Beat ist und was er auslöst. Ein Wort, das zunächst musikalisch die Wände wackeln ließ. Der lyrische Beat faszinierte mich erst Jahre später als ich mich mit dem Begriff „Beat“ im Studium auseinandersetzte. Denn bevor die musikalische Beatmanie in den 1960er Jahren ihren Höhepunkt erreichte, lärmten Autor*innen einer früheren Beat-Generation auf dem Papier. Die Beatautor*innen gehörten einer eher literarischen als politischen Nachkriegsgeneration an, die neue Ausdrucksweisen schuf, die Sprache der Gosse und Slang-Wörter nutzte, Werke unter Einfluss bewusstseinserweiternder Substanzen schrieb und das auch noch bestätigte. Gedichte und Bücher beschäftigten wegen angeblicher Obszönitäten Rechtsanwälte und Richter. Ich war nicht nur von ihren Werken fasziniert, sondern auch von ihrer Entstehungsgeschichte. In welchen Bars New Yorks oder San Franciscos lernten sie sich kennen? Welche Gedanken und Philosophien ließen sie literweise Bier und Wein trinken? Welcher Küchentisch wurde permanent in Beschlag genommen, um sich gegenseitig zu beeinflussen? Und wie spannend muss es gewesen sein, mit ein paar Münzen in der Tasche durch die USA der 1950ger Jahre zu reisen?

Das Museum wurde 2003 von Jerry und Estelle Cimino in Monterey gegründet. Nachdem die Ciminos John Allen, den Sohn der Beatpoeten Neal und Carolyn Cassady kennenlernten, beschlossen sie, die Geschichte der Beat-Generation jungen Leuten näher zu bringen. Jerry und John stellten eine Show auf die Beine und reisten in einem Airstream-Wohnmobil, dass sie das Beat Museum on Wheels nannten, von Küste zu Küste, von Bundesstaat zu Bundesstaat. 2006 stoppten sie ihr Beatmobil im Viertel North Beach in Frisco. In den 1950er Jahren entstand in North Beach die literarische Bewegung der Beat-Generation mit seinen berühmten Zeitgenossen Jack Kerouac, Allen Ginsberg, Gregory Corso, William Burroughs, Lawrence Ferlinghetti und vielen anderen. Das Beat Museum on Wheels wurde vorübergehend in der Live Worms Gallery (Grant Avenue) eingerichtet und nach einem kurzen Umzug in The Cannery at Fisherman’s Wharf zog das Museum letztendlich in die Räume am 540 Broadway.

Ich startete mit einem Kaffee in der Hand in den Tag und absolvierte ein vormittägliches Fitnessprogramm auf dem Weg zum Museum. Hügel rauf, Hügel runter und nach 20 Minuten empfing mich das Museum mit einem übergroßen Wandplakat, auf dem sich die Freunde Neal Cassady und Jack Kerouac lässig brüderlich auf die Schultern klopfen.

Im Museumshop kaufte ich ein Ticket zu einem äußerst moderaten Preis und ging durch das kleine Drehkreuz. Im Erdgeschoss und in der ersten Etage ist eine Vielzahl an Beat-Memorabilien ausgestellt, darunter Originalmanuskripte, Briefe, Notizzettel, Postkarten, Bücher, Schreibmaschinen, Fotografien oder Gingsbergs Orgel. In einem separaten schmalen Raum schaute ich mir zunächst einen Dokumentarfilm über die Beat-Literat*innen an, der in Endlosschleife vorgeführt wird.

Schriftstellerinnen der Beat-Generation wie Diane Di Prima, Jan Kerouac, Carolyn Cassady, Anne Waldman oder Joyce Johnson werden in mehreren Vitrinen vorgestellt. Frauen, die in den Vereinigten Staaten der Nachkriegsjahre mehr von ihrem Leben erwarteten. Sie wollten nicht als zarte Wesen wahrgenommen werden, die verheiratet und wohlsituiert in einem Vorort lebten. Jahrzehnte vor den feministischen Bewegungen der späten 1960ger und 1970ger Jahre ließen sie sich nicht von den strikten gesellschaftlichen Normen einfangen und in Rollenbilder zwängen. Die Beat-Literatinnen waren sozusagen die Vorkämpferinnen, die die Brücken zur nächsten Generation bauten.

Übersichten darüber, welche bedeutenden Werke in den Bücherregalen von Kerouac, Gingsberg oder Burroughs standen, sind ebenso spannend wie die Auflistung von Kerouac zu „Glaube und Technik der modernen Prosa“ in 30 Punkten.

Eine alte Schreibmaschine meiner Mutter, eine Urania-Piccola, stand jahrelang als Dekoration im Wohnzimmer. Niemand tippte darauf. Als ich das Alphabet beherrschte, hämmerte ich auf ihr rum. Der Klang, wenn die Typenhebel auf das Papier aufschlugen, hörte sich genauso schwer an, wie es das Herunterdrücken der Tasten war. Die Urania wog gefühlt 1.000 kg. Die Beatniks tippten unter anderem auf einer Underwood Typewriter Nr. 5 oder L.C. Smith Corona. Die Schreibmaschinen waren reisetauglich, meine nicht.

Die Bild- und Objektbeschriftungen, die an den Wänden hängen und in den vielen Vitrinen liegen, sind wunderbar zusammengestellt, die Texte informativ und auf den Punkt. Glücklicherweise erreichte das Aufnahmevermögen meines Smartphones die volle Auslastung und hielt mich so davon ab, jedes Schild und jedes Ausstellungsstück zu knipsen.

Einen Blick an die Decke sollte man auch riskieren. Denn dort hängen Straßenschilder und weitere Erklärungen, beispielsweise zu „How the term beatnik was coined“.

Nachdem ich drei Stunden lang im Erdgeschoss und in der ersten Etage wissbegierig alle Informationen in mich aufsaugte wie ein Schwamm, stöberte ich noch im Museumshop und gegenüber in der von Lawrence Ferlinghetti 1953 gegründeten und berühmten City Lights Books – Buchhandlung.

Das Beat Museum ist ein kleines Juwel und hat eine vergangene, viel besprochene und beschriebene Zeit mit vielen seiner Vertreter*innen hervorragend eingefangen. Es wird eine Generation festgehalten, die einen gesellschaftlichen Wandel, eine soziale und sexuelle Befreiung einläutete und nachfolgende Generationen beeinflusste. Ich empfehle, sich für das kleine und sehr intime Museum so viel Zeit wie möglich zu nehmen. Die Beat-Generation war nur eine kleine Gruppe von Autor*innen und Künstler*innen, die ein Bohèmeleben ausprobierte, sich „Beatniks“ oder auch „Hipster“ nannten, Jazz hörte, mit Drogen experimentiere und neue Lebensweisen einschlug. Eine künstlerische Bewegung mit einer hohen Strahlkraft, die in dem wunderbaren Museum großartig vorgestellt wird.

Links zum tiefer Eintauchen

Beat Museum: www.kerouac.com

Kate Kate: www.katekatewriter.de

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Alle Fotos sind von Kate Kate, sofern nicht anders angegeben.

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